Projektträger ist die deutsch-italienische Kulturvereinigung Amici dell' Aquila

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Sechster Bericht des Stadtbotschafters

11. Oktober 2011
Ein frueher Wintereinbruch zwingt zu rascher Entscheidung: Die hohen Berge in L'Aquilas unmittelbarer Umgebung (bis zum Gran Sasso, dessen hoechste Spitze, der Corno Grande 2912 m Meereshoehe aufweist) sind zunaechst angezuckert, Montagmorgen aber voll weiss gewesen. Wenn auch das Tageswetter noch ein Fruehstueck in freier Sonne zulaesst, so wird es doch nachts kalt bis nahe an den Gefrierpunkt in Onna, auf 600 m Hoehe. Und da die Wasserversorgung nicht voll isoliert ist in den Kabinen der Feuerwehr, wird demnaechst abgestellt werden muessen. Hilfreiche Freunde haben dem Botschafter Wege zu einem Appartement gewiesen, das sofort bezugfertig ist, einzige freigegebene und hergestellte Wohnung in einem Haus der Kategorie 'E', also mit an die Substanz gehender Schaedigung durch das Erdbeben. Aber da gibt es natuerlich Unschaerfen bei der Beurteilung und Qualifizierung der Schaeden. Viele Haeuser verfuegen ueber eine solide Betonkonstruktion und bei naeherem Hinsehen sind es nur die Klinker-Verblendungen, die starke Risse und Verwerfungen aufweisen. Beim ersten Betreten des Balkons schreckte der Wohnung Suchende zunaechst zurueck, bis man ihn auf die Unschaedlichkeit des Risses hinwies, der ihm entgegenklaffte.  Ja , da wird jetzt die Botschaft auf eine Baustelle verlegt!Mit gutem Blick auf die Stadt und die Berge gen Suedwesten.
Es kann also durchaus von Sanierungsarbeiten an vielen Gebaeuden in den Aussenbezirken berichtet werden. Aber erst mit Aufnahme der Reparaturen werden die Schaeden so recht sichtbar, es können geringere sein, wie beschrieben, aber es koennen natuerlich auch grundlegende Beschaedigungen offengelegt werden, die erheblich mehr an Reparaturen verlangen als angenommen.
Von der schnellen Vermittlung einer Italienisch Lehrerin an die Volkshochschule in Rottweil haben die Zeitungen bereits berichtet. Hier haben viele guenstige Zufaelle mit gespielt, aber in jedem Fall konnte man hier den Vorteil einer Person an Ort und Stelle in der Partnerstadt feststellen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Kontakte zu vermitteln und aufrecht zu halten. Und die hierfuer staendig bereit steht und Zeit hat.
Muehe verwendet der Botschafter darauf, eine Verbindung zum hiesigen Hochsicherheitsgefaengnis herzustellen, in dem die schwere Kriminalitaet Italiens, z. B. aus der Mafia versammelt ist. Bisherige Anfragen haben ergeben, dass es fuer Aussenstehende unmoeglich sei, dort hineinzukommen. Aber das waere noch zu beweisen. Eine erste Einfahrt auf den Gefaengnisparkplatz, nur der oertlichen Orientierung wegen, wurde sofort von zwei Wachleuten sehr kritisch mit Blicken verfolgt, bis das Fahrzeug mit dem fremden Kennzeichen wieder verschwunden war! Jedenfalls wird ein Gespraech mit Vertretern der kleinen Ortschaft Preturo zu fuehren sein, in dessen Naehe das Gefaengnis liegt. Wie man hoert, ist ja die Debatte um das Bitzwaeldle in Rottweil und vor allem in Zepfenhan/Neukirch noch nicht beendet. Uebrigens schmueckt der Naturkalender mit grossartigen Aufnahmen aus dem Biotop Bitzwaeldle die Botschaft in Onna! Vielen Dank nach Zepfenhan!
Offen sind noch Anfragen an Johanniterschule ('Radioblab' als Projekt von Aquilaner und Rottweiler Kindern) und das AMG (ein Lehrer aus L'Aquila moechte nach Rottweil kommen). Die Hyères-Freunde in Rottweil bemuehen sich, eine Anfrage wegen Schueleraustausch L'Aquila / Hyères zu beantworten. Die ehemalige Vorsitzende, Frau Gabler, hat sehr schnell reagiert und veranlasst das Notwendige. Aehnlich schnell meldete sich via voce auf die Anfrage eines hiesigen Chores, der an neuem Besuch in Rottweil interessiert ist und die Rottweiler zu einem Festival einladen moechte.
Inzwischen ist der Botschafter der BuergerInnen Rottweils beim Grossen Bruder in Rom zum Empfang anlaesslich des Nationalfeiertages gewesen. Nach diesem Abend mit 1400 Gaesten, Grossbuffet und umfangreichem Feuerwerk zog es den Bürgerbotschafter aber rasch wieder zurueck in die Bescheidenheit seines Wohnwagens. In Onna beginnen jetzt die Arbeiten fuer die Umgestaltung des ehemaligen Kindergartens zu einem Buergerzentrum mit Bibliothek, Cafè und Museum. Letzteres wird die dreitausendjaehrige Geschichte des Platzes Onna darstellen und anders als teilweise missverstanden die Geiselerschiessungen vom 11. Juni 1944 nicht zum alleinigen Thema der Ausstellung machen, allerdings auch nicht verschweigen.
Arbeit fuer den Botschafter bedeutet auch die Gestaltung von Deutschunterricht im Liceo Linguistico Domenico Cotugno, der Schule, die im Mai den Schueleraustausch in Rottweil bei der Erich Hauser Gewerbeschule wieder aufgenommen hat. Neben einfacher Konversation ist hier auch Geschichte gefragt, Weimarer Verfassung  war schon, die NS Rassegesetzgebung steht auf dem Programm, wohlgemerkt auf Bitten der Geschichtslehrerin und nicht, wie aehnlich in Rottweil bereits missdeutet wurde, auf Vorschlag des Botschafters.
Leider hat ein Besuch Rottweiler Fliegerfreunde zum hiesigen Grossflugtag Anfang Oktober nicht geklappt. Dabei waere fuer den hiesigen Flugplatz die Anwesenheit von mehr Gaesten aus dem Ausland von Interesse gewesen: L'Aquila steht auch hier im Wettbewerb mit Pescara, wenn auch der Fortbestand der Regional-Hauptstadt in L'Aquila gerade nach dem Erdbeben gesichert zu sein scheint.
Wenn dieser Bericht entgegen den Absichten des Verfassers wieder zu viele Einzelheiten enthaelt, so liegt dies an dem umfassenden Programm der Freiwilligenarbeit des Verfassers. Es muessen Berichte folgen, die sich mit Einzelthemen eingehender Befassen. Versprochen.

Bernhard Pahlmann aus L'Aquila, 10. 10.2011